kampagnenkritik bmz: the big five – wilde tiere und entwicklungszusammenarbeit [updated]

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BigFive

Bildqualität Marke: Vor meiner Haustür im Halbdunkeln

„Ent­wick­lungs­po­li­tik darf nicht in ihrer Nische blei­ben, son­dern ge­hört in die Mit­te der Ge­sell­schaft“, sagte Dirk Niebel, der unter anderem dafür bekannt sein dürfte, dass er vor seinem Amtsantritt für die Abschaffung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) lobbyiert hat, auf der Pressekonferenz zum Startschuss für die neue Plakatkampagne.

Und was liegt da nahe? Richtig: Entwicklungspolitik mit Hilfe von Tieren zu vermitteln. Und nicht etwa über niedliche Tierbabies – wie der Digital Native jetzt gemeinhin erwarten dürfte – sondern über die Big Five. Die Big Five, das sind die 5 afrikanischen Tierarten (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe, Leopard), die wohlhabende Großwildjäger auf dem Kontinent früher unbedingt erlegen wollten, weil diese eben am schwersten zu erwischen waren. Heutzutage wird der Begriff vor allem im Zusammenhang mit Safaris in Afrikas Nationalparks genutzt, bei denen die meisten Touristen inzwischen nur noch Fotos schießen wollen. Prinzipiell handelt es sich dabei also um ein koloniales Relikt. Während der Rest der Welt derzeit eher auf das – berechtigterweise auch kritisierte, weil häufig positivistisch eingefärbte – „Rebranding“ Afrikas setzt, blickt das BMZ also lieber mal in die Vergangenheit. Bedenkt man die Haltung großer Teile der FDP-Anhängerschaft gegenüber der deutschen Kolonialgeschichte, muss das nicht unbedingt verwundern. Eine Anerkennung des Genozids an Herero und Nama im früheren „Deutsch-Südafrika“ verweigern beispielsweise sowohl CDU als auch FDP bis heute.

Tatsächlich orientieren sich die „Big Five“ an den Millenniums-Entwicklungszielen, sind also durchaus große Themen der zeitgenössischen Entwicklungszusammenarbeit. Zu den jeweiligen Themen Menschenrechte/Demokratie, Armutsbekämpfung, Verbesserung der Bildung/des Zugangs zu Bildung, Erhalt der Artenvielfalt sowie nachhaltige Rohstoffsicherung wird dem Nutzer der Website eine Frage gestellt. Hier beschränkt man sich nicht mehr nur auf die Arbeit des BMZ in Afrika, sondern lobpreist dessen Tätigkeiten überall in der Welt.
Mein Favorit dabei war klar: Deutschland hat sich finanziell an einer Studie zu „Ökosystemdienstleistungen“ beteiligt – das interessiert die „gesellschaftliche Mitte“ sicherlich brennend. Allein die Vokabel klingt schon wie ein Kampfbegriff der FDP. Leider wird anschließend jedoch nicht verraten, welche Sanktionen zum Beispiel arbeitsmüden Honigbienen angedroht werden könnten, sollten diese der spätrömischen Dekadenz frönen.
Projektpartner oder Menschen in Partnerländern, die von BMZ-Projekten profitieren, lernt man leider nicht kennen. Der visuelle Teil der Kampagne beschränkt sich ausschließlich auf die Tiere, wenngleich auch Themen wie Bildung und Menschenrechte angeschnitten werden.

Dass die Kampagne außerdem auf die online publizierten Inhalte des BMZ aufmerksam machen soll – wie man in der Pressekonferenz verlauten ließ – lässt sich schlicht nicht bestätigen, da man nach Abschluss des Fragespiels (bei dem man übrigens einen Besuch im BMZ in Berlin und Bonn oder eines von fünf Überraschungspaketen gewinnen kann) auf einer externen Seite, nicht etwa auf die Website des BMZ weitergeleitet wird, sondern einfach stecken bleibt. Man macht im Prinzip das Gegenteil dessen, was angekündigt wird, weil sich tatsächlich nicht ein einziger klickbarer Link auf der Quiz-Seite befindet. Ein Refresh gibt dann lediglich die Links auf die Hilfeseite und rechtliche Hinweise frei.

Bedenkt man abschließend dazu, dass in Tansania – ehemals deutsche Kolonie und derzeit einer der wichtigen Partner des BMZ in Afrika – aktuell die Schaffung eines Korridors, der vor allem zur Großwildjagd genutzt werden soll, diskutiert wird, mutet die Kampagne gleich noch ein wenig absurder an. Im Zuge dieses Projektes sind zahlreiche ortsansässige Maasai von der Vertreibung bedroht.

 

[Update 26.05.2013]

Auch der Braune Mob e.V. hat das Thema aufgegriffen und im Blog verschiedene offene Briefe veröffentlicht, die noch mal viele Aspekte der Kampagne beleuchten:
Welches Tier sucht ‘Bundes­ent­wick­lungs­mi­nister’ Dirk Niebel mit dem Slogan “Armut bekämpfen, Bildung fördern”?

4 Kommentare

  1. Sicherlich kann man ueber den (post-)kolonialen/imperialen Charakter der Kampagne ausfuehrlicher diskutieren. Aber man muss doch kein/e EZ-ExpertIn sein um sich zu fragen, ob wilde Tiere in Afrika wirklich die besten Werbetraeger sind…gibt es in Deutschland denn keine Agentur die sich in globale Debatten einklicken und ‚moderne‘ Arbeit abliefern kann? Gibt es im Oeffentlichkeitsreferat des BMZ keine Menschen unter ca. 35 die ihre kritische Stimme einbringen koennen? Beides glaube/hoffe ich nicht. Vielleicht ist vielen Beteiligten das oeffentliche Bild der EZ einfach egal?!

    • Mich würde eine Rückschau auf vergangene BMZ-Kampagnen in diesem Zusammenhang interessieren. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir vorherige Plakate oder ähnliche Werbemittel so sehr aufgefallen wären, wie diese. Das mag vielleicht auch an einer Kombination aus dem hohen Volumen der Big-Five-Kampagne und der Thematik selbst liegen.

  2. Danke für Deinen kritischen Beitrag, v.a. auch das Gewinnspiel betreffend. Das zeigt ja anscheinend auch, dass die Kampagne nicht primär auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit EZ zielt.

    Ich finde es schade, dass das BMZ eine großangelegte „Afrika-Initiative“ begonnen hat und den Anspruch vertritt, das Afrika-Bild in der deutschen Öffentlichkeit gerade rücken zu wollen, das dann aber durch solche Aktionen mittels Betonung der herkömmlichen Stereotype wieder torpediert.

    Ich fände es übrigens mal interessant zu erfahren, wie die Plakate bei Menschen ankommen, die sich sonst eher weniger für EZ-Themen interessieren – werden sie darauf aufmerksam oder ignorieren sie sie einfach? Von einem Bekannten habe ich kürzlich die Rückmeldung bekommen, dass er das Plakat am Bahnsteig gesehen hat und es auf den ersten Blick befremdlich fand, obwohl er sich sonst eher selten mit EZ-Themen auseinandersetzt.

  3. Pingback: Links zum Wochenende #37 (und #34 nachgereicht) | Claire Grauer

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