einmal quer durch den diskriminierungsgemüsegarten: zum start von „wild girls – auf high heels durch afrika“

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Africa is a Country.

Africa is a Country.

Vorab: „Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika“ wird erst ab dem 10. Juli ausgestrahlt. Eine ganze Folge der Sendung konnte ich mir also noch nicht anschauen. Offen gesagt weiß ich allerdings auch nicht, ob ich das möchte.

Ich habe es gewagt, mir die Facebook-Page und dazugehörige Website zur neuen RTL-Klischee-Klatsche „Wild Girls“ anzusehen.
Was ich erwartet habe? Nichts Gutes. Irgendwas in Richtung „Die strengsten Eltern der Welt“. Ein Format, dem ich gern mal eine Studie gewidmet hätte. Trotzdem möchte ich ein paar Worte dazu loswerden.

Zunächst der inhärente Sexismus in der Sendung:
Während der Moderator der Sendung wie eine Mischung aus Indiana Jones und Crocodile Dundee mit offenem Hemd für die Pressefotos posiert, ist bei den 12 mehr oder weniger bekannten Kandidatinnen der „Zickenkrieg vorprogrammiert“. Also eigentlich: angeboren. So ist das mit Frauen.
Charakterisiert werden diese dann im Vorfeld der Sendung vor allem über ihren Brustumfang, das Scheitern ihrer Beziehungen oder ihren Erfahrungsschatz in Sachen High Heels.

Nun. Neben dem sexistischen Geschwurbel, das uns tagtäglich aus Reality- und Castingformaten jeglicher Couleur entgegen schlägt, geizt „Wild Girls“ auch nicht mit Rassismen. Mitnichten.

Zunächst das Offensichtlichere:
Die Sendung wird in Namibia gedreht, laut Titel geht es aber „durch Afrika“. Dass 54 afrikanische Staaten auf eine homogene Masse zusammengekürzt werden, ist keine Seltenheit (Rick Ross hat sich das letztens erst geleistet). Das macht den Umstand allerdings auch nicht erträglicher.

Ein aktueller Facebook-Post liest sich dann folgendermaßen:

In Namibia lernen die ‎#Wild Girls von Eingeborenen, wie sich positive Engergie anfühlt. Die Luxus-Ladies tanzen gemeinsam mit den namibischen Himba. Schaut euch das Video auf RTL.de an!

Tanzen, klar, was wäre Afrika ohne Tänze. Ich gehe davon aus, dass die Damen im Verlauf der Sendung auch Trommeln lernen. Vermischt wird das Ganze mit dem Bild des positiven „Afrikaners“, der trotz seiner präkeren Situation glücklich erscheint.

Noch gravierender dann: der Begriff „Eingeborene“. Eine Beschreibung, die ähnlich problematisch belegt ist wie „Naturvölker“, weil sie Hierarchien schafft und andeutet, die „Anderen“ wären weniger „zivilisiert“ als diejenigen, die ihnen hier begegnen. Der Begriff hat eine lange koloniale Tradition und wird heute allenfalls genutzt, um zu romantisieren (siehe auch: Edle Wilde):
Auf Kosten derer, die beschrieben werden und subaltern sind. Das bedeutet, diese Menschen werden ihrer Stimme beraubt. Ihnen wird keinerlei Raum geboten, sich selbst zu repräsentieren. Und besagte Szene spielt dann zu allem Überfluss in Namibia, vormals deutsche Kolonie und der Ort, an dem die deutsche Kolonialmacht den Genozid probte. In diesem Fall treffen die „Wild Girls“ nicht auf Herero oder Nama, sondern auf Angehörige der Himba.

Der Moderator schlägt in eine ähnliche Kerbe, als er im Interview gefragt wird, worin die Herausforderungen für die Kandidatinnen bestehen. Er antwortet an dieser Stelle allen Ernstes mit:

Vor Ort gibt es natürlich Spinnen, Schlangen, Krokodile und Einheimische, mit denen sie eventuell nicht so gut klarkommen. Oder vielleicht doch?!

Da wird ein Bedrohungsszenario geschaffen, das leider gar nicht mehr so weit vom Mythos Kannibalismus entfernt ist. Auch im Kontext von Völkerschauen in Deutschland (hier: Leipzig) und anderen europäischen Ländern war es vor gar nicht allzu langer Zeit üblich, die Menschen, die man ausstellte, in der dazugehörigen Reklame in einem Atemzug mit wilden, oft als gefährlich geltenden Tieren zu nennen. Auf diese Weise konstruierte man eine Distanz zwischen den Ausgestellten und den Besuchern der Völkerschauen und eine Nähe der Ausgestellten zu Tieren, die sowohl den Kolonialismus als auch auf Rassismen beruhende Machtverhältnisse legitimieren sollten. Bei Nadia auf Shehadistan gab es letztens eine Fotoserie, die in diesem Zusammenhang sehr empfehlenswert ist (wenn man das so ausdrücken kann..).

Und dann folgt schließlich der Halbsatz aus dem Screenshot:

Afrika ist ein wunderbares Land

Ja, wirklich, das steht da so. Das hatten wir ja weiter oben schon.

Ein wenig hoffe ich darauf, dass die Kameras zu irgendeinem Zeitpunkt von Aktivisten gehijacked werden. Ehrlich. Vielleicht erfahren die Zuschauer dann etwas über die historischen Verflechtungen beider Länder. Einen Exkurs in die Geschichte seitens RTL halte ich für unwahrscheinlich.

Abschließend:
Ich weiß natürlich nicht, ob meine Kritik die richtigen Stellen erreicht und anerkannt wird. Das schmälert allerdings nicht die Gelegenheit für uns, die wir uns mit diesen Themen ausführlicher beschäftigen und beschäftigt haben, diese Dinge zu kritisieren und eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen.
Ergänzungen und Kritik sind wie immer willkommen!

6 Kommentare

  1. Pingback: Kolonialgeschichte unter der Treppe und mehr Fundstücke (Nr. 14) | Afrika Wissen Schaft

  2. unterirdisch… In Frankreich hat ein Komiker ne Scripted Reality Folge einen Tag vor Ausstrahlung hochgehen lassen, sehr witzig!! http://www.huffingtonpost.fr/2013/04/18/remi-gaillard-piege-confessions-intimes-tf1-sms-compromettant_n_3107127.html

  3. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Wimbledon-Sexismus und Auftragsverlust wegen feministischer Einstellung – die Blogschau

  4. Du hast so vollkommen recht mit deiner Kritik. Ich hab die Vorschau gesehen, gekotzt und dann den Fernseher ausgeschaltet. Welche weltfremden Vollidioten arbeiten eigentlich beim Fernsehen?
    Soll nochmal einer sagen, Gehalt und Bildung hätten irgendetwas miteinander zu tun…

  5. Pingback: Reality Queens. Afrika im deutschen TV. Tragiödie, Teil 7892284. | Afrika Wissen Schaft

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