hatebase.org – diskriminierung und big data

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Screenshot: Hatebase.org

Screenshot: Hatebase.org

Hatebase.org, eine Initiative des kanadischen Sentinel Project for Genocide Prevention, hat große Pläne. Mittels Crowdmapping sollen schwelende Konflikte erkannt werden. Kann Big Data Genozide frühzeitig erkennen? Gibt es Alternativen?

Über das Webinterface auf Hatebase.org können sämtliche verbalen diskriminierenden Übergriffe gemeldet werden. Eine Spezifikation erfolgt allerdings nicht. Nun ist die Nutzung rassistischen, homophoben oder sonstigen diskriminierenden Vokabulars am Stammtisch in Kleinmachnow nicht besser als die massenmediale Aufbereitung Sarrazinscher Pseudowissenschaft, letztere verfügt aber über eine größere Reichweite und bedient sich – vermutlich – anderer sprachlicher Mittel. Ersteres kann Indiz für die Verbreitung diskriminierender Stereotype in der Bevölkerung sein, letzteres bereitet den Weg dafür, dass diese – siehe Horst Seehofer et al. – anschlussfähig sind.

Laut FAQ werden Begriffe aufgenommen, die als abwertend gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen gelten. Der Entscheidungsprozess dahinter ist allerdings nicht transparent. So ist das Wort „Mzungu“ (Kiswahili für „WeißeR“ oder „EuropäerIn“) auf der Karte ganze 32 mal verzeichnet, kann aber sicher nicht als Hinweis für die strukturelle Diskriminierung weißer Menschen gewertet werden. Immerhin ist es Usern möglich, die „Schwere“ einer Beleidigung einzuschätzen. Prinzipiell funktioniert dieses Bewertungssystem allerdings nur unter nicht-erfüllbaren Bedingungen: wenn nämlich alle von Diskriminierungen Betroffenen Zugriff auf die Seite haben, um Wort für Wort einzustufen.

Etwas galgenhumorig kommt dann auch die „Surprise me“-Funktion daher. Über die wird nach dem Klick ein zufälliger diskriminierender Begriff angezeigt. Könnte in diesem Kontext sicherlich eleganter gelöst werden.surprise

Während Hatebase zwar diskriminierenden Sprachgebrauch aus allerlei Sprachen (allerdings ausschließlich in UTF-8) aufnimmt, gibt es die Seite selbst bisher nur in der englischen Sprachausgabe. Die Nutzung bleibt damit einem bestimmten Userkreis – nämlich denen, die der Englischen Sprache mächtig sind – vorbehalten. Es überrascht daher nicht, dass ein Großteil der Daten aus den USA, Großbritannien, Südafrika und Deutschland gemeldet wird. Hatebase hat also einige Schwachstellen zu flicken. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass die Nutzung der bereitgestellten API in Kombination mit anderen Datensätzen, beispielsweise Statistiken über rassistisch motivierte Gewalttaten, weitere Schlussfolgerungen zulässt.Gerade im Kontext sich verschärfender Konflikte sollte es aber möglich sein, unkompliziert – möglichst über eine mobile Lösung, bestenfalls ohne Zugriff auf das Internet – Daten einzupflegen. Gerade diese Hürde dürfte den Erfolg des Konzeptes auf lange Sicht bestimmen.

Eine sinnvolle Alternative zur Hatebase ist Ushahidi. Die Plattform ist etabliert und so individuell nutzbar, dass sie auf regionale Szenarien anwendbar ist. Dabei ist auch die Anpassung der Sprache möglich. Ushahidi ist ein Erfolgskonzept, gerade wegen des Modells der individuellen Anpassung. Die Plattform ist Open Source und unter der GNU Lesser General Public License (LGPL) kostenfrei nutzbar. Daten können via SMS, E-Mail, Twitter und auf der Plattform selbst importiert werden, sodass auch Menschen, die nicht ständig auf das Internet zugreifen können, die Teilhabe am Crowdsourcing offen steht.

Gegründet wurde Ushahidi als Reaktion auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen nach den Parlamentswahlen in Kenia Anfang 2008. Mit Hilfe von etwa 45.000 Nutzern in Kenia konnten Übergriffe visualisiert und ausgewertet werden. Ushahidi wird inzwischen für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt und kann selbst gehostet werden. Gleichzeitig bietet die Organisation auch an, eine Crowdmap auf deren Servern zu hosten. Ein schneller Einstieg ohne extensives technisches Know-How ist also ebenfalls gewährleistet.

Einige Beispiele zur Nutzung von Ushahidi:

Being LGBT in Asia
Middle East Domestic Help Abuse Reporting
Pro-Poor Innovation Map [Innovationen zur Armutsminderung weltweit]
Cost of Chicken [Schülerprojekt zur Visualisierung von Preisen für gesunde Nahrungsmittel weltweit]

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